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"Gott hat uns die Tiere anvertraut, nicht ausgeliefert"

 

Tue Gutes und rede drüber

Tue Gutes und rede drüber

Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, dem eigenen Leben täglich mehr Sinn zu geben. Eine davon ist, die Welt ein bisschen besser zu machen, wo es nottut: indem wir uns einsetzen für Menschen, Tiere, die Umwelt oder gegen Armut. Im Porträt: drei Frauen und ihre Berufung.

Hier: Silke Gramatzki-Wieczorek, 48, ist Gründerin der Tierschutzorganisation „Verantwortung Leben" in Fulda.Mehr als 1.000 Tiere haben durch den privaten Verein neue Besitzer gefunden.

 

My Way Ausgabe - Oktober 2012

„Erst gestern hatten wir wieder einen typischen Anruf: Eine Dame meldete sich aus einem Nachbarort und berichtete von einer Frau, die seit Jahren Katzen in einer Scheune ohne Tageslicht halte. Jetzt sei das Tor vernagelt worden und die Tiere eingesperrt, weil sich die Anwohner gestört fühlten. Ich ging der Sache nach, die Katzenhalterin hat mir die Scheune auch gezeigt, denn sie war der Ansicht, alles richtig gemacht zu haben. Aber was ich sah, war erschreckend: Im Heu lagen tote Katzen, viele der lebenden Tiere waren dürr und krank. Ich bekam eine trächtige Katze zu fassen und vier Jungtiere; die anderen waren total verwildert. Jetzt denke ich schon den ganzen Morgen darüber nach, wie wir die anderen fangen können, um sie zu kastrieren, und wo wir sie anschließend unterbringen können. Die Arbeit mit den Tieren, die ich heute mache, ist meine Berufung. Früher war ich Geschäftsführerin von teuren Möbel- und Modeläden. Und Handtaschen für 2.000 Euro zu verkaufen war mein Beruf, der mir viel Spaß gemacht hat. Aber als ich plötzlich mit Anfang 30 wegen eines Vorstadiums von multipler Sklerose einseitig gelähmt in der Klinik lag und keiner für mich da war, habe ich beschlossen, künftig nur noch etwas zu tun, das mir auch etwas zurückgeben kann. Damals lebte ich auf einem Bauernhof, wo der Bauer regelmäßig die frisch geborenen Katzen tötete. Als ich ihn darum bat, die Kastrationen bezahlen zu dürfen, willigte er ein. Danach bin ich dann zu den umliegenden Höfen gegangen, um die wilden Katzen für die Kastration einzufangen, damit sie sich nicht weiter vermehren. So fing alles an.
 
Vor sechs Jahren gründete ich mit meinem Mann und damals noch wenigen Mitstreitern meinen Verein. Wir mieteten im winzig kleinen Dorf bei Hosenfeld eine große Scheune an.
 
Zurzeit sind dort sieben Pferde untergebracht, fast 50 Katzen, acht Hasen, fünf Meerschweinchen und zwei Nymphensittiche; unsere vier Hunde leben bei Pflegefamilien. Wir kümmern uns um jedes Tier, das verlassen, vergessen oder übel vernachlässigt wird, egal ob blind, taub oder dreibeinig. Bei vielen ist der Zustand so erbärmlich, dass man denkt, die kriegt man nie wieder hochgepäppelt – dann klappt es doch. Sogar neue Besitzer finden wir für die meisten, manchen schicken Jahre später Fotos von den Tieren. Das berührt mich sehr.
 
Auch wenn ich die ganze Organisation mache, das Futter bestelle, mit Tierärzten spreche, die Texte für die Webseite schreibe: Ohne Hilfe der 20 Kinder und Jugendlichen aus unserer Gegend würde der Verein nicht auskommen. Für viele von Ihnen ist die Vereinsscheune aber auch ein besonderer Ort: Hier können sie eine Beziehung zu Tieren aufbauen, Verantwortung für sie übernehmen, ihr Selbstbewusstsein entwickeln – sowohl die Kinder von Ärzten als auch die aus sozial schwachen Familien. Sie bilden ein Team, und ohne das gemeinsame Interesse wären sie sich vermutlich nie begegnet.“
 
 
„Was ich tue, ist meine Berufung“
 
Silke Gramatzki-Wieczorek leitete mehrere Lifestyle-Boutiquen und arbeitete zeitweilig mehr als 50 Stunden die Woche. Nach einer schweren Krankheit beschloss sie, „künftig nur etwas zu tun, was mir auch etwas zurückgibt“.
 
WARUM ICH ES MACHE: „Sicherlich verändert das Retten eines Tieres nicht die ganze Welt, aber die ganz Welt verändert sich für dieses Tier. Daran glaube ich, und das ist mein Ansporn. Jedes Leben zählt für uns.“
 
DIE ORGANISATION: Der Verein nimmt seit seiner Gründung 2006 verlassene und vernachlässigte Tiere auf; viele werden an neue Besitzer vermittelt.