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"Gott hat uns die Tiere anvertraut, nicht ausgeliefert"

 

Tierschützer engagieren sich für notleidende Tiere

Tierschützer engagieren sich für notleidende Tiere

Hosenfeld
Ein Tierschutzverein aus Osthessen kümmert sich mit Ehrenamtlichen um verwahrloste Katzen und Pferde. Kinder helfen dabei mit und werden an den Tierschutz herangeführt. Für dieses Konzept gab es 2012 sogar einen Preis. Für die Initiatorin endete zugleich eine Sinnkrise.

 

Fuldaer Zeitung - 05.08.2013

Pascha muss Höllenqualen gelitten haben. Der Kater war in einem jämmerlichen Zustand, als er vor wenigen Monaten in die Auffangstation gebracht wurde. In seiner Brust steckte das Projektil eines Luftgewehrschusses. Sein Fell war ölverklebt. Pascha machte auch eine Hautpilz-Infektion zu schaffen, die Ohren voller Eiter von einer Entzündung. «Aber wir haben ihn nicht aufgegeben», sagt Silke Gramatzki-Wieczorek (47) von der Tierschutz-Initiative «Verantwortung Leben» im osthessischen Hosenfeld.


Der bereits mit einem Preis ausgezeichnete Verein kümmert sich um in Not geratene Tiere. «Jedes Tier bekommt bei uns eine Chance», sagt Gramatzki-Wieczorek, die zweite Vorsitzende des Vereins, der seit seiner Gründung schon rund 2000 Tiere aufgenommen, aufgepäppelt und an neue Haltern vermittelt habe. «Es gibt viele Menschen, die verantwortungslos mit Tieren umgehen. Und die immer drastischeren Fälle nehmen zu», bedauert sie.

Gramatzki-Wieczorek berichtet von der Siamkatze Heidi, die in einem zugebundenen Wäschekorb eingezwängt gehalten wurde. Sie hatte gerissene Achillessehnen, war schwer traumatisiert und inkontinent. Sie berichtet von einem verwahrlosten Messi-Haushalt, aus dem 18 Katzen gerettet wurden. Sie berichtet von einem halbblinden Kater, den Bewohner beim Auszug achtlos zurückgelassen hatten.

In der großen, angemieteten Scheune im Ortsteil Hainzell bekommen alle diese bemitleidenswerten Kreaturen Obdach, zumindest vorübergehend. Die Katzen werden behandelt, geimpft, kastriert und mit einem Chip versehen, damit sie identifizierbar sind.

Pascha, der zehn Jahre alte Kater, sitzt nun in einem abgetrennten Abteil unter dem Scheunendach. Zusammen mit weiteren Stubentigern hat er viel Platz und Möbelstücke zum Spielen. Um die 20 Katzen sind in den sechs abgetrennten Bereichen untergebracht. Darunter ist auch Kater Edward, der lange Eckzähne wie ein Vampir hat, oder auch Finja, der wegen einer Verletzung ein Auge herausgenommen werden musste.

Das Problem für viele Katzen-Halter oder Bauern: Wenn sie die Tiere nicht kastrieren lassen, gibt es ständig Nachwuchs. Manch ein Landwirt scheut aber den Aufwand und die Kosten einer Kastration und bringt die Tiere einfach um, wie Gramatzki-Wieczorek weiß.

Der Verein kümmert sich aber nicht nur um Katzen, sondern auch zum Beispiel um Hasen und Kaninchen, um Hunde und Pferde. Sieben Pferde stehen derzeit auf dem Hof der Tierschützer. Daraunter auch Didi, der mit 29 Jahren ein biblisches Pferdealter erreicht hat.

Eine Besonderheit des Tierschutzvereins ist, dass sich viele ehrenamtliche Helfer engagieren, darunter einige Kinder, die an das Thema Tierschutz herangeführt werden. «Diese Kombination und dieser Anspruch ist einmalig in Hessen», sagt Gramatzki-Wieczorek.

Knapp 20 Kinder und Jugendliche helfen dabei, sich um die Tiere zu kümmern. Clara (17) engagiert sich seit sieben Jahren für das Wohl der Pferde. «Die Arbeit macht einfach Spaß. Und es eine gute Sache, sich mit Tieren zu befassen, die in Not sind», sagt die Gymnasiastin. Die kleine Sina, ein zehnjähriger Wirbelwind, reitet am liebsten auf den Pflegepferden, kümmert sich aber auch eifrig um die Stallarbeit.

«Was die Kinder hier leisten, ist der Hammer. Sie lernen viel, werden selbstbewusster und lernen Verantwortungsbewusstsein - als Tierschützer von morgen», erklärt Gramatzki-Wieczorek. Zwei der ehemaligen Helfer arbeiten mittlerweile als Azubis in Tierkliniken.

Die Veterinäre vom Landkreis Fulda loben den Verein: Er leiste einen wichtigen Beitrag zum Tierschutz. Amtstierärztin Verena Krauss schätzt «die intensive und praxisnahe Wissensvermittlung» bezüglich der Tier-Bedürfnisse. Der Verein zähle zu den aktivsten Tierschutz-Organisationen in der Region.

Für das Konzept der Tierrettung mit Kindern hat der Verein einen Preis bekommen: die «Goldene Pfote» 2012 der Tierschutz-Organisation Tasso. «Wir finden herausragend, wie der Verein das Thema Tierschutz an Kinder und Jugendliche heranführt. Beachtlich ist: Es sind ja nicht unbedingt niedliche Tiere, sondern kranke und verwahrloste», sagt Tasso-Sprecherin Marie-Christin Gronau. Tasso ist das deutsche Zentralregister für Haustiere. Es hilft, entlaufene Tiere zurückzuvermitteln. 6,5 Millionen Tiere sind darin registriert.

Das Preisgeld von Tasso in Höhe von 5000 Euro konnte der auf Spenden angewiesene Verein gut gebrauchen. Die Betriebskosten summieren sich pro Jahr auf mehr als 50 000 Euro, wie Gramatzki-Wieczorek sagt. Etwas Geld kommt auch rein, wenn eine aufgepäppelte Katze für 99 Euro einem neuen Herrchen vermittelt wird.

Für Gramatzki-Wieczorek ist die Tierscheune ein Fulltime-Job. Früher hat sie in Fulda reichen Menschen teure Kleidung und Luxus-Accessoires verkauft. Dann wurde sie schwer krank, kam wieder auf die Beine und wollte ihrem Leben neuen Sinn geben. «Es gibt einfach Wichtigeres, als Handtaschen für 3000 Euro zu verkaufen. Was ich jetzt hier mit wunderbaren Mitstreitern mache, ist erfüllender», sagt sie und gibt Pascha eine liebevolle Streicheleinheit.
 
 
Quelle: Fuldaer Zeitung
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Von Jörn Perske (dpa)